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Ausweispflicht im Freibad: Berliner Bäder reagieren auf Gewalttaten.

Dokumentenexperte Peter Hessel erläutert, worauf es bei der Zutrittskontrolle jetzt ankommt.

Mit den Temperaturen stiegen die Gewalttaten. So lässt sich die Situation der Berliner Freibäder knapp zusammenfassen. Dass die aktuelle Hitzewelle nun zu drastischen Sicherheitsmaßnahmen führt, ist ein deutliches Zeichen, vor welchen enormen Herausforderungen die zuständigen Betreiber stehen.

Seit vergangenen Samstag gilt für Berlins Freibäder eine Ausweispflicht. Wer ins Bad will, muss Personalausweis, Führerschein oder Schülerausweis vorlegen. Mit diesen Sicherheitskontrollen sollen Straftäter abgeschreckt und das Personal entlastet werden. Doch diese Form der Zutrittskontrolle zeigt nur ihre Wirkung, wenn die Dokumente auch tatsächlich geprüft werden, meint Peter Hessel, Erster Polizeihauptkommissar a.D. und ausgebildeter Dokumentenberater und -prüfer.

Freibad Feeling?-1

Herr Hessel, ob im Berliner Freibad oder beim Konzert in München: So eine Zutrittskontrolle mit Ausweisprüfung stellt man sicher nicht über Nacht auf die Beine, oder?

Peter Hessel:
Ganz richtig. Wobei man sagen muss, dass natürlich schon allein die Ankündigung der Ausweiskontrolle eine gewisse abschreckende Wirkung hat. Allein dieser Fakt wird den Berlinern schon helfen. Wichtig ist dabei, dass man die Sicherheitsmaßnahmen möglichst flächendeckend einführt, damit es nicht zu einer reinen geographischen Verlagerung der Straftaten kommt. Wenn ich nur in einigen wenigen Bädern kontrolliere, spricht sich das ganz schnell herum und dann werden von potenziellen Unruhestiftern eben die Bäder bevorzugt, bei denen nicht oder nicht so genau hingesehen wird. Ansonsten ist das Thema Zutrittskontrolle ja in vielen Branchen bewährt und man kann sich eine Menge abschauen, zum Beispiel bei den Systemen, die für Großevents oder beim Zutritt zu Spielcasinos eingesetzt werden. Bei Letzteren wird sogar noch ein automatischer Abgleich mit Hausverbotslisten durchgeführt. Außerdem können wir alle auf die Erfahrungen aus der Coronakrise zurückgreifen: Mit einer Online-Registrierung vorab kann ich für Gäste den Besuch leichter machen. Zudem hilft diese Maßnahme, um den anschließenden Abgleich mit den Identitätsdokumenten vor Ort zu beschleunigen und dadurch Staus bei der Zutrittskontrolle zu verhindern.

Was können denn betroffene Einrichtungen noch tun? In Berlin unterstützt ja auch die Polizei. Wenn ich nun aber keine Polizisten vor dem Eingang habe und mein Personal oder Sicherheitsdienste verantwortlich sind, was mache ich dann als Betreiber?

In einem solchen Fall brauchen alle, die mit der Prüfung von Ausweisen betraut werden, eine sehr klare Einweisung. Was ist das Ziel der Kontrolle? Welche Dokumente sollen geprüft werden? Was genau soll auf dem Dokument geprüft werden? Ein Beispiel: Den deutschen Personalausweis kennt man vielleicht noch ganz gut. Den hat man häufiger in der Hand. Aber eine rumänische ID-Karte oder ein spanischer Führerschein – wie sehen die denn eigentlich aus? Ungeschultes Personal kann das in wenigen Sekunden gar nicht feststellen.

Bei so einer Sichtkontrolle muss das Personal zumindest eine Handvoll der standardisierten Sicherheitsmerkmale kennen, damit gefälschte Dokumente erkannt werden. Dazu gehört unbedingt, dass eben nicht nur Name und Geburtstag übereinstimmen müssen, sondern das Foto auf dem Dokument muss auch mit der Person zusammenpassen, die vor mir steht. Zeit- und Personalmanagement für eine sichere Kontrolle sind aber extrem aufwendig. Deshalb passiert es ja auch, dass jemand mal ein Auge zudrückt. Oder dass Kontrolleure lediglich schauen, ob der Gast einen Ausweis hochhält, der halbwegs wie ein Ausweis oder Führerschein aussieht. 

Das muss man alles im Vorfeld mit dem Personal vernünftig durchsprechen. In der Regel sind die MitarbeiterInnen nicht erpicht darauf, Ausweise kontrollieren zu müssen. Das ist ja auch gar nicht deren Kernkompetenz. Dabei ist eine selbstsichere Kontrolle schon ein Teil der Prävention. Wenn die Papiere nicht verschämt hinter dem Tresen angeschaut werden, sondern die Kontrolle ganz demonstrativ stattfindet und auch mit dem konkreten Vergleich von Dokument und InhaberIn einhergeht, dann ist das ein sichtbares Statement: „Hier wird Kontrolle ernst genommen!“.

Was sind denn aus Ihrer Sicht als Experte Hinweise auf gefälschte Papiere? Gibt es Stellen, die man sich genauer anschauen sollte?

Peter Hessel:
Ja, meiner Meinung nach kann man sich immer an eine kleine Checkliste halten:

  • Erstens: Passen Foto und das Gesicht der Person zusammen?
  • Zweitens: Sieht die Unterschrift tatsächlich nach einer Handschrift aus oder sind die Buchstaben so regelmäßig wie in einer Computer-Schrift?
  • Drittens: Plausibilitätsprüfung! Sind das angegebene Alter im Ausweis und das Aussehen der Person stimmig?

Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen arbeiten beim Prüfen von Dokumenten mit speziellen Scannern. Ist der Einsatz von vorhandener Technologie auch in der Zutrittskontrolle sinnvoll?

Peter Hessel:
Definitiv ja! Es gibt ganz unterschiedliche Lösungen am Markt, vom Ausweis-Scanner bis zur App. Aber für die Situation in Berlin muss man ganz klar sagen, dass man nicht übers Wochenende so eine technische Infrastruktur aufbauen kann.

Was allerdings geht, ist eine Basis-Schulung fürs Personal. Das kann man auch sehr effizient online machen. Damit gibt man den verantwortlichen MitarbeiterInnen nicht nur Wissen an die Hand, sondern auch Selbstsicherheit. Und souveränes Auftreten ist bei der Zutrittskontrolle wirklich wichtig.

Vielen Dank, Peter Hessel für das Interview in Sachen Zutrittskontrolle.